Medien anonymisieren die Namen von Menschen zum Persönlichkeitsschutz, zum Beispiel bei Unfallopfern. Suchmaschinen leisten einen Beitrag dazu, diese Menschen dennoch identifizierbar zu machen.
Für Medien ist es in einigen Fällen gute Sitte, Menschen zu anonymisieren. So sieht Ziffer 8 des Pressekodexes die Anonymisierung vor, sofern nicht das öffentliche Interesse überwiegt. Auch strafrechtliche Konsequenzen sind zu erwarten, sofern identifizierende Berichterstattung stattfindet, obwohl sie nicht geboten ist. So sind vor allem Kinder und Jugendliche, aber auch Opfer von Verbrechen zu schützen, auch Täter oder mutmaßliche Täter sollten allerdings nicht ohne Weiteres mit Klarnamen dargestellt werden.
Häufig reicht zur Anonymisierung die Verwendung des Vornamens sowie des ersten Buchstaben des Nachnamens aus, so wie es die tz im dargestellten Beispiel vormacht.
© Bild: Screenshot tz
Nur: Durch Google und andere Suchmaschinen kann dieses Verfahren Opfer auf umgekehrtem Wege identifizierbar machen. Mir ist ein Fall untergekommen, bei dem ein junge Frau bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist.* Wenn Menschen ihren vollen Namen googlen, also Vorname und Nachname, dann ist an erster Stelle der Google-Suche ein Artikel zu finden, der den Unfallhergang und die anschließende Rettungsaktion detailliert schildert. Im Artikel selbst und auch im Quelltext der Seite ist der Nachname des Opfers nicht zu finden, er steckt also auch nicht in den für die Suchmaschine vorgesehenen Meta-Tags drin, die von Google und Konkurrenten ausgelesen werden aber in der Artikeloberfläche nicht direkt sichtbar sind.
Weil die Nutzer klicken und bleiben, rutscht das Ergebnis nach oben
Wieso aber kommt man dennoch über den Namen auf die Seite? Ich kann es mir nicht anders erklären als durch den Algorithmus: Menschen googlen eben nicht den im Artikel der tz genannten [[Peter K.]], nein sie googlen den vollen Namen, eventuell noch in Verbindung mit einem Wohnort, also beispielsweise Peter Karl Hamburg**. Dabei ist dann auch unerheblich, ob Peter Karl tatsächlich in Hamburg wohnte oder von dort kam oder beispielsweise aus einem Ort in der Nähe von Hamburg. Entscheidend ist, was die Nutzer suchen und wie sie sich anschließend verhalten. Wenn also Peter Karl aus Itzehoe verstorben ist, aber die Worte [[Peter Karl Hamburg]] gegooglet werden, dann kann das schon genug sein. Dann nämlich, wenn Nutzer diesen Artikel über solche oder ähnliche Suchen finden (sei es auch auf hinteren Such-Seiten), diese Suchergebnisse dann anklicken und sich das Suchergebnis danach womöglich noch Lange ansehen beziehungsweise die gesamte Suche nach Aufsuchen der Seite beenden.
Passiert das, wird das Suchergebnis von Google als relevant beurteilt. Passiert es öfter, findet sich das Suchergebnis in besserer Platzierung wieder. Und so kann es dann letztlich auch passieren, dass das Suchergebnis Peter Karl bei der Google-Suche den Artikel zum Tod eines Peter K. ganz oben anzeigt. Damit ist noch nicht einmal sicher, dass es sich bei Peter K. tatsächlich um einen Mann namens Peter Karl handelt. Dennoch: Auf gewisse Art, ermöglicht Google damit identifizierende Berichterstattung, obschon Medien genau das vermeiden wollten und sollten. Das Absurde: Je besser der Algorithmus arbeitet, desto besser erfüllt er die Suchbedürfnisse der Nutzer – und desto leichter wird dann die Identifizierung möglich. Für Angehörige kann das grauenhaft sein. Umso wichtiger wäre es, genau das zu verhindern.
Lässt es sich denn verhindern?
Wie aber lässt sich dieses Dilemma lösen? Von Googles Seite aus wird da wohl nicht viel passieren, schließlich ist der Algorithmus so ausgerichtet, dass er den Nutzern das für sie relevanteste Ergebnis liefert. Möglich wäre es für Medienhäuser natürlich, noch weniger Angaben zu machen, die der Identifizierung dienen könnten. Selbst das dürfte aber im Zweifel kaum helfen, sofern nicht sämtliche Informationen fehlen. Im Zweifel könnte auch schon Wohnort und das Wort [[Unfall]] alleine reichen. Gerade für regionale Medien ergibt es aber wenig Sinn, diese Infos wegzulassen. Eine wirkliche Lösung sehe ich insofern aktuell nicht. Und vielleicht liegt auch genau dort das Problem: Der lokale Leser möchte in aller Regel ziemlich genau wissen, was wo und vielleicht sogar wem passiert ist. Mutmaßlich stört ihn sogar die Anonymisierung des Nachnamens schon. Aber dazu hat er ja jetzt Google – zumindest wenn er eine Vermutung hat, welcher Name und welche Person hinter der Anonymisierung stecken könnten. Schlimm genug.
*Um nicht unnötige sensationsheischende Aufmerksamkeit zu schaffen, verzichte ich darauf, einen Link einzufügen oder den Namen, auch in anonymisierter Form, zu nennen.
**Nachname und Wohnort entsprechen nicht den tatsächlichen Daten, sondern sind rein zufällig gewählt.
© Titelbild: Screenshot Google.de
Stefan sagt:
Würde es dann nicht bereits zielführend sein, wenn Medien gar keine Namen mehr nennen oder jedes Medium einen anderen anonymisierten Namen verwendet nach dem Prinzip (Vorname) (erster Buchstabe des Nachnamens) – und das dann nach Zufallsprinzip wechselnd? Also Peter A., Hans B., Christoph C. usw.?
28. September 2017 — 21:26
Frederic Servatius sagt:
Wäre sicher eine Möglichkeit. In dem Fall fände ich den Namen ganz weglassen sinnvoller als bewusst falsche Namen zu wählen, da die Namen ohnehin keinen Mehrwert bieten, außer dass Voyeurismus bedient wird.
28. September 2017 — 21:42
Hinnerk sagt:
Vielleicht noch mal die Grammatik der Überschrift überdenken? Was soll so schlimm daran sein, dass Google Berichterstattung identifizierbar macht? Ist halt die Aufgabe einer Suchmaschine.
29. September 2017 — 01:22
Frederic Servatius sagt:
Lieben Dank für die Anmerkung. Ich habe lange drüber nachgedacht und verstehe, dass das zumindest nicht ganz trennscharf formuliert ist. Ich habe mich dennoch dazu entschieden, das so zu lassen, weil für mich die nicht-identifizierende Berichterstattung kein gesamter Beitrag ist, sondern nur die betreffende Stelle, die nicht-identifizierbar gemacht ist. Die soll die Suchmaschine meines Erachtens nach nicht identifizierbar machen, sondern lediglich die Berichterstattung als Solche, wenn auch im Volltext und mit seinen Einzelelementen. Ich verstehe aber auch, wenn man die Sicht nicht teilt und das Ganze anders beurteilt.
29. September 2017 — 11:25