Nicht einmal 48 Stunden ist 2016 jetzt alt und schon wartet das erste Serienhighlight auf die Fernsehzuschauer. Die große Freude: Es ist mal wieder eine Produktion aus Deutschland. Nachdem schon das vergangene Jahr ein gutes für die deutsche Serie war, kommt mit [[Morgen hör ich auf]] gleich im Januar ein echter Hit. In der ZDF-Serie, die aus fünf Folgen besteht, ist Bastian Pastewka der Protagonist. Als deutsches [[Breaking Bad]] wurde die Sendung vielfach durch die Medien geprügelt. Eine Bezeichnung, die nicht nur nicht die Absicht der Macher widerspiegeln dürfte (die die Bezeichnung auch nicht etabliert haben), sondern die auch der Serie keineswegs gerecht wird.

Denn bei der ZDF-Produktion handelt es sich keineswegs um eine Kopie, vermutlich ist [[Morgen hör ich auf]] nicht einmal inspiriert von der US-Erfolgsserie. Worauf aber beruht dann die Bezeichnung? Auf inhaltlicher Ebene lässt sich nicht allzu viel finden, wenn man ehrlich ist. Bastian Pastewka spielt den verzweifelten Vater Jochen Lehmann, der seine Familie kaum über Wasser halten kann. Die Druckerei die er von seinem Schwiegervater übernommen hat wirft so wenig ab, dass er nicht einmal den Klassenausflug seiner Tochter finanziert bekommt. Was also tun? Weil er seine Arbeit eigentlich ganz gut beherrscht beginnt Lehmann Falschgeld zu drucken. Doch eigentlich will er damit gar nicht zahlen. Erst als seine Tochter aus Versehen mit dem gefälschten Fünfziger Erfolg hat, beginnt Jochen zu glauben, dass das funktionieren könnte.

Familie Lehmann schwimmt nicht wirklich im Geld: v.l.n.r.: Mutter Julia (Susanne Wolff), Sohn Vincent (Moritz Jahn), Tochter Laura (Janina Fautz), Nesthäkchen Nadine (Katarina Kron) und hinter dem Sofa Vater Jochen (Bastian Pastewka)

Familie Lehmann schwimmt nicht wirklich im Geld: v.l.n.r.: Mutter Julia (Susanne Wolff), Sohn Vincent (Moritz Jahn), Tochter Laura (Janina Fautz), Nesthäkchen Nadine (Katarina Kron) und hinter dem Sofa Vater Jochen (Bastian Pastewka)

Was also ist gemein mit [[Breaking Bad]]? Familie mit Geldproblemen. Kriminalität als Ausweg. Wow. Da aber ist dann auch Schluss. Krebs? Nö, erstmal nicht. Familienkonflikte? Sind ganz anders gelagert. Und in der filmischen Darstellung ist es zusätzlich ungleich schwerer Gemeinsamkeiten zu finden.

Da nämlich ist [[Morgen hör ich auf]] im besten Sinne deutsch. Tatsächlich fühlt man sich zwischen hessischer Provinz und der Metropole Frankfurt gleich im realen Leben, wobei das Format sehr wertig aussieht und mit detaillierter Arbeit in Kamera, Schnitt und musikalischer Gestaltung auftrumpft. So werden immer wieder Verbindungen zu Elvis Presley geschlagen, der in Bad Nauheim, wo die Serie ihren Mittelpunkt findet, stationiert war. Als [[European Home]] wird der Ort daher auch bezeichnet, die Verbindung klasse in die Handlung integriert und musikalisch auch mal unterschwellig eingepflegt. Aber auch andere ältere Songs wie [[Hit the Road Jack]] werden gekonnt untergebracht und sorgen für einen stimmigen Score.

Nicht weniger detailverliebt arbeiten auch die Darsteller. Bastian Pastewka gelingt dabei eine Gratwanderung. Seine Rolle unterscheidet sich von dem, was der Zuschauer von ihm gewohnt ist. Zwar transportiert er einerseits in vielen Szenen seinen gewohnten Humor und setzt die Pointen auf den Punkt. Er bringt allerdings auch noch mehr Gefühl für das ernste und dramatische mit, als man es von seiner Paraderolle aus [[Pastewka]] kennt. Vielleicht sehen wir hier sogar den besten Pastewka aller Zeiten.

Ähnlich genial agiert Georg Friedrich in der Rolle des Damir Decker. Ihm dreht Jochen Lehmann einen falschen Fünfziger an – und macht den Fehler in seinen Kiosk zurückzukehren. Daraus entwickelt sich in der Folge eine wahnwitzige Odyssee, deren Ende auch über einen folgenschweren Unfall hinausreicht. Der Figur Damir Decker kann man den Wahnsinn dabei in den Augen ansehen. Auch Darsteller Georg Friedrich gelingt ein starker Balanceakt, weil sein völlig durchgedrehter Charakter auch immer wieder Momente der Ruhe zeigt, beispielsweise wenn er in Kontakt mit den Kindern der Familie Lehmann kommt.

In der Hinterhof-Klitsche versucht Lehmann sein Glück - und ist damit bei Damir Decker (Georg Friedrich) nur anfangs erfolgreich.

In der Hinterhof-Klitsche versucht Lehmann sein Glück – und ist damit bei Damir Decker (Georg Friedrich) nur anfangs erfolgreich.

 

Auch dadurch bekommt Jochens Frau Julia recht schnell Wind von den Machenschaften seines Gatten. Sie weiß bereits in Folge eins vom Falschgeld. Ein Kniff der einerseits für mehr Realismus sorgt, als es bei [[Breaking Bad]] der Fall ist (Skyler White wird ja erst spät wirklich misstrauisch und vermutet anfangs, Walters Geheminis wäre ein bisschen Gras), andererseits aber auch in den Möglichkeiten der Storyentwicklung einschränkt. Doch die Autoren gehen damit gut um, finden dennoch relevante und logisch konsequente Konflikte und sorgen so (zumindest in den ersten beiden Episoden, die das ZDF vorab zur Verfügung gestellt hat) für anhaltende Spannung. Und auch für die Zukunft bringen eigentlich alle Figuren ihr Potenzial mit.

Eine auffällige Gemeinsamkeit zu [[Breaking Bad]] gibt es aber doch noch: Zwischen den Szenen werden immer wieder im Wasser hängende Fünfziger gezeigt. Diese Sequenzen erinnern nicht nur in der Bildsprache sondern auch in der aufkeimenden Bedeutung für die Handlung stark an die Poolszenen der US-Serie. Das fällt vor allem deshalb stark auf, weil auf diese Momente künstlerisch betrachtet wohl ein Schwerpunkt gelegt wurde. Das ist nicht weiter schlimm, auffallen tut es dennoch stark. Im Gegensatz dazu allerdings ergibt sich eine fast kammerspielartige Atmosphäre in den sonstigen Szenen. Diese inhaltliche Verengung sorgt dafür, dass der Zuschauer recht schnell auf die Figuren anspringt und sich gleich mit ihnen vertraut fühlt.

Insgesamt bleiben dennoch nach zwei Episoden noch viele Abgründe ungeöffnet, viel Potenzial ist also vorhanden. Eine filmisch wie schauspielerisch  durchweg gelungene und hochwertig produzierte deutsche Serie ist tatsächlich auch nach [[Deutschland ’83]] oder dem [[Club der roten Bänder]] noch eine Seltenheit. Nach Jahren des Wartens auf [[Morgen hör ich auf]] bekommt man aber genau das geliefert. Sollte aber die Produktion einer zweiten Staffel genau so lange dauern, wie die ersten Episoden, dürfte der Zuschauer die ersten fünf Folgen bald schon wieder vergessen haben. So viele sind es nämlich nur, die vom ZDF produziert wurden. Und so bleibt leider doch wieder ein Wermutstropfen, obschon es doch eigentlich so schön sein könnte. Bitte Jochen Lehmann, hör nicht Morgen schon wieder auf.

Das ZDF zeigt fünf Folgen von [[Morgen hör ich auf]] ab 2.Januar jeweils samstags um 21.45 Uhr.