In Bern wird derzeit diskutiert, ob sich Gemeinderäte den Job teilen können sollten. Ein richtiger Vorstoß: Wo die moderne Arbeitswelt arbeitnehmerfreundliche Flexibilität fordert, sollte der Staat als Vorreiter in Arbeitsmodellen vorangehen.


Die Schweiz hat ein Problem. Sie findet nicht mehr genügend Menschen die bereit sind, politische Ämter auszuüben. Wie Blick.ch berichtet hat jeder zweite Ort Probleme Gemeinderäte zu finden. In einigen Orten gibt es sogar Schwierigkeiten die Position des Gemeindepräsidenten (also des Bürgermeisters) zu besetzen. Auch in Deutschland gibt es ähnliche Probleme – immer wieder machen Berichte über fehlende Bürgermeisterkandidaten die Runde. Viele Menschen haben schlicht nicht die Zeit, den nötigen Aufwand für das politische Engagement mitzubringen. Aber auch dort wo hauptamtliche Stellen zu besetzen sind, werden Menschen ausgeschlossen: Personen die sich um Kinder kümmern müssen oder jemanden pflegen, können sich kaum in Vollzeit politisch engagieren.

In Bern sind die fünf Gemeinderäte als Stadt-Exekutive hauptamtlich tätig. Dort gibt es dafür nun einen Lösungsvorschlag: Politische Bewerber sollen sich künftig gemeinsam auf einen Posten bewerben können. Job-Sharing würde dann in der Demokratie und im Staat richtig ankommen.

Denkanstoß auch für Deutschland

Es ist ein Vorstoß, der auch in Deutschland als Denkanstoß dienen sollte. Ob Haupt-, Neben- oder Ehrenamt, ob Exekutive oder Legislative, ob Wahl-Amt oder Stellen-Auswahl – das Job-Sharing sollte gerade vom Staat so vielfältig wie möglich nutzbar gemacht werden. Bundestagsabgeordnete sollten sich ebenso den Job teilen können wie Finanzbeamte oder Bürgermeister kleiner Gemeinden.

Klar ist: Zumindest was die Ausgestaltung bei Wahl-Ämtern anbelangt gibt es vorab einige Fragen zu beantworten: Wie ein gemeinsamer Wahlkampf aussehen kann wäre wohl eher eine interne strategische Frage. Was die Aufteilung der Aufgaben anbelangt müsste aber auch öffentlich Klarheit herrschen. Wer welchen Anteil aufbringen muss und wofür zuständig ist, müsste (am besten schriftlich und öffentlich einsehbar) fixiert werden. Die Aufteilung sollte aber unter den gemeinsam antretenden Kandidaten stattfinden. Dass die Verantwortung für Niederlage und Erfolg geteilt werden müsste, ist dabei vermutlich ausgemachte Sache.

Was passiert beim Rücktritt?

Schwieriger ist hingegen eine andere Frage: Was, wenn eine Person im Job-Tandem zurücktreten müsste? Müssen dann beide ihren Job lassen? Möglich wäre es dann zweifelsohne Nachrücker zu haben – gerade für Nachwuchskräfte wäre es vielleicht gar nicht schlecht, mit einem geteilten Amt zu beginnen. Denn genau wie bei [[normalen]] Nachrückern findet ja häufig auch keine Neuwahl statt. Aber es gibt eben auch gute Gründe, einen Rücktritt des kompletten Tandems zu fordern – schließlich wurde es auch im Paket gewählt.

Einen Nachteil gibt es allerdings zudem noch: Wo mehr Menschen in Ämtern sind, wird es auch unübersichtlicher. Gerade bei politischen Repräsentanten kann das zum Problem werden. Andererseits: Alleine der Bundestag hat aktuell 709 Abgeordnete. Alle zu kennen ist schon heute nicht die vornehmste Aufgabe des aufmerksamen Staatsbürgers. Ein paar Namen mehr sollten also nicht zum Problem werden – zumal nicht davon auszugehen ist, dass gleich Hunderter MdBs von dem Wahlrecht Gebrauch machen würden.

Die moderne Arbeitswelt fordert flexible Modelle, die es den Menschen ermöglichen, ihren Job oder ihr Engagement an ihr Leben anzupassen – und nicht ihr Leben an Job und Engagement. Gerade der Staat muss hier Vorreiter sein – und sollte Job-Sharing Modelle überall dort etablieren, wo es sinnvoll möglich und juristisch zulässig ist. Und wer weiß: Vielleicht haben wir schon bald halbe Bundestagsabgeordnete.