Nordrhein-Westfalen und Thüringen wollen zur digitalen Identifizierung von Privatpersonen mit der Datenallianz Verimi zusammenarbeiten. Das ist besonders paradox, weil aus der Politik gleichzeitig die Datenriesen Facebook und Google für ihre Datensammelwut kritisiert werden.


Mit Thüringen und Nordrhein-Westfalen wollen zwei Bundesländer die digitale Verwaltung erleichtern: Mit der Software Verimi sollen sich Bürger künftig digital ausweisen können. So soll der Behördengang digital werden. In Thüringen ist der Beschluss bereits gefallen, in Nordrhein-Westfalen werden noch Gespräche geführt. An sich ein lobenswerter Schritt. Denn weil Technologie-Skepsis dem Deutschen lieb und teuer ist, ist auch die öffentliche Verwaltung an vielen Stellen noch nicht wirklich digitalisiert. Fairerweise muss man sagen: Ganz neu ist die Möglichkeit auch hierzulande nicht. In Nordrhein-Westfalen sind beispielsweise digitale Verwaltungsdienste bereits jetzt mit der hauseigenen Lösung Servicekonto.NRW nutzbar. Doch nun soll der elektronische Zugang zu Dienstleistungen von öffentlichen Stellen über den Login-Dienst Verimi erfolgen. Die Länder verlassen sich also auf ein Privatunternehmen als Registrierungsplattform, das genau wie Facebook und Google Daten als Geschäftsmodell ausgemacht hat.

Es war 2012 als der jetzige Ministerpräsident von Sachsen, Michael Kretschmer, gefordert hat, Googles größer werdende Marktmacht durch schärfere Kontrollen zu begrenzen. Seitdem ist Google gewiss nicht weniger wirkmächtig geworden – eher hat der Konzern noch an Macht gewonnen, zum Beispiel durch den Zukauf von Teilen des Smartphoneherstellers HTC. Ähnliche Dinge ließen sich über den zweiten Datenriesen Facebook sagen. Und auch Amazon hat in der Zwischenzeit eher Nutzerdaten gewonnen als Macht verloren. Es gibt also heute eher noch bessere Gründe gegen die Datenmacht vorzugehen. Angela Merkel hat 2016 nicht umsonst gesagt, dass Daten der Rohstoff des 21. Jahrhunderts sind.

Ein Login für Banking und Reisepass

Ein Argument der Zusammenarbeit von öffentlichen Verwaltungen mit Verimi könnte prinzipiell ziehen: Das digitale Angebot von Behörden wird dann attraktiver, wenn Netzwerkeffekte eintreten. Das heißt konkret: Das Angebot wird für einen Nutzer interessanter, wenn er beim Online-Banking und beim digitalen Behördengang dasselbe Login nutzen kann. Genau das will Verimi erreichen: Logins bündeln, damit möglichst viele Nutzer ihre Daten beim Dienst lassen. Allerdings übersieht diese Argumentation einen nicht zu vernachlässigenden Punkt: Wenn ich digitale Behördendienstleistungen wie die Beantragung von Pässen gleich online erledigen kann, liegt für viele ohnehin ein nicht zu unterschätzender Vorteil vor: Der Behördengang fällt unter Umständen weg oder verkürzt sich wenigstens auf ein Minimum. Dafür ein eigenes Login zu haben dürfte für die wenigsten schmerzhaft sein. Für Menschen aus Nordrhein-Westfalen würde also das Servicekonto.NRW reichen, sofern sämtliche Leistungen damit zu erledigen sind.

Korrekt ist natürlich: Im Vergleich zu einer selbst gebauten Lösung kann Verimi eine größere Zahl von Plattformen bieten, die mit einem Login genutzt werden können. So machen bei Verimi Axel Springer, die Allianz und die Deutsche Bank mit. Mit dieser Argumentation wäre es aber noch viel sinnvoller bei Facebook oder Google mitzumachen, denn hier sind quasi unzählbare Dienste mit einem Login nutzbar. Das liegt vor allem daran, dass die deutschen Datensammler offenbar im Koma lagen, während Google sein Geschäftsmodell fleißig entwickelt hat.

Was aber ist dann das Argument für die Nutzung von Verimi? Nordrhein-Westfalens Digitalministerium drückt es auf Anfrage so aus: Die Verimi-Identifikation bediene ein „anderes Vertrauensniveau“ als die elektronischen Identifikation mit dem Personalausweis: „Dadurch sind Behördendienste für die Bürgerinnen und Bürger einfacher zu bedienen.“ Die Barriere ist also geringer als bei der Nutzung des Servicekontos.NRW – was dann womöglich auf die Sicherheit drückt.

Welche Daten gehen überhaupt an Verimi?

Dass man nun genauso gut Google oder Facebook nutzen könnte, ist natürlich bloße Polemik. Der Vorzug von Verimi liegt auf der Hand: Die Login-Allianz fällt unter deutsches und europäisches Datenschutzrecht, wo es Facebook und Google maximal teilweise tun. Verimi garantiert zudem, dass Daten nur dann übermittelt werden, wenn der Nutzer dem zustimmt.

Doch eine Frage bleibt: Warum müssen sich Verwaltungen auf private Unternehmen verlassen und nutzen nicht nur eigene Software? Denn wo die Dienstleistung ausgelagert wird, werden zwangsläufig auch Daten ausgelagert. Zwar hat das Digitalministerium von Nordrhein-Westfalen mitgeteilt, dass „grundsätzlich keine Daten an Verimi oder einen anderen Verifzierungsdienst übermittelt“ werden. Von der thüringischen Landesregierung gab es auf die Frage unterdessen keine Antwort. Dennoch: Zumindest die Login-Daten müssen zwangsläufig bei Verimi liegen, wenn sie für mehrere Dienste genutzt werden sollen. Auch wenn die Daten verschlüsselt sein mögen, sie liegen dann beim privaten Dienstleister. Auch die Datensicherheit würde somit zumindest ein Stück weit ausgelagert. Was aber, wenn beim Privatunternehmen Verimi trotz höchster Sicherheitsvorkehrungen doch etwas schief geht? Dann würden sich die Behörden vermutlich damit rausreden, dass es ja kein eigenes Versagen gewesen ist. Andersrum aber passt der Deckel auf die Flasche: Wo es geht, sollte der Staat schon im Vorhinein schauen, dass alle Daten dort bleiben wo sie hingehören. Regierungen sollten sie also gar nicht erst an private Dienstleister auslagern.

Es ist in sich jedenfalls paradox: Während Google und Facebook von der Politik kritisiert werden, weil sie Daten sammeln, soll der Staat die Daten von Personen nun in die Hände von kommerziellen Datenhändlern abgeben? Klar, man kann argumentieren, dass die Dienstleistung ja auf freiwilliger Basis digital genutzt werden kann. Das gilt aber für die Dienste von Facebook und Google ebenso. Warum dann aber nicht konsequent sein und nur die Eigenlösung anbieten? Es würde schließlich kaum jemand auf die Idee kommen, mit dem Facebook-Login den Reisepass zu beantragen.

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