Ausgesprochen: Der ZDF-Intendant Thomas Bellut kündigt an viel zu tun, damit das IOC seinen Sender und die ARD vermissen wird. Warum das wirklich passieren könnte.
Wir werden viel dafür tun, dass uns das Internationale Olympische Komitee ordentlich vermissen wird.
Thomas Bellut, ZDF-Intendant
Hört man den Leiter der Mainzer TV-Anstalt diesen Satz sagen, so klingt es als sei er ein wenig verbittert, weil zumindest 2018 keine olympischen Wettbewerbe im öffentlich-rechtlichen Fernsehen übertragen werden. Wenigstens schade findet er es auch, wie DWDL dokumentiert. Zur Wahrheit gehört aber auch: Bellut könnte mit seiner trotzigen Aussage recht behalten – trotz schulkindhafter Ätsch-Bätsch-Haltung. Mehr noch: Vielleicht müssen sie gar nicht so viel dafür tun. Vielleicht geht es sogar recht leicht.
100 Millionen Euro waren nach Angaben der ARD die Obergrenze dessen, was die öffentlich-rechtlichen Kanäle für Olympia zahlen wollten. Hagen Boßdorf, ehemaliger ARD-Sportkoordinator und mittlerweile beim Vermarkter Sportfive tätig, erklärte im (öffentlich-rechtlichen) radio eins Medienmagazin, dass der Marktwert für olympische Spiele bei 50-65 Millionen Euro liegen würde. Nachvollziehbar also, dass ARD und ZDF in Verhandlungen irgendwann den Schlussstrich ziehen. Und mehr als zweifelhaft, dass die Refinanzierung für den Rechteinhaber Discovery auch nur annähernd möglich ist.
Möglicherweise landen Eurosport und DMAX als ausstrahlende Free TV-Sender über den von Boßdorf geschätzten vier bis fünf Prozent Marktanteil. Aber die vielen Millionen wieder reinzuwirtschaften wird schwierig, zumal der Produktionsaufwand enorm ist. Der hiesige Fernsehzuschauer wird es merken, wenn nicht viel Aufwand für den deutschen Markt betrieben wird, der nun einmal der wohl wichtigste Markt in Europa ist. Einfach das internationale Signal in alle Länder zu verbreiten würde zuschauerseitig sanktioniert, ein hoher Produktionsaufwand aber vermutlich kostenseitig.
Die Situation ist also schwierig, gut möglich, dass sich Discovery hier die Finger verbrennt – was die Marktposition für das IOC auf lange Frist hin sicherlich nicht verbessern würde. Wer wäre dann noch bereit viel Geld in das zweifellos spannende Produkt Olympia zu stecken. Spätestens da kommen ARD und ZDF dann wieder ins Spiel, die Olympia sicherlich auch deshalb teurer als marktgerecht bezahlen wollten, weil die Wettbewerbe mehr als ein Produkt, sondern auch ein gesellschaftliches Event mit grandiosen sportlichen Leistungen.
Es gibt allerdings noch ein Szenario, das Discovery missfallen dürfte: Wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Verantwortung Ernst nimmt, dann tritt er (auch ohne Rechteinhaber zu sein) mehr denn zuvor als kritischer Beobachter der olympischen Spiele auf. Die laufende Dopingredaktion Hajo Seppelt darf nicht das Ende sein und gerade in einer Situation, in der die Rechte nicht mehr bei ARD und ZDF liegen, ist die kritische Auseinandersetzung ungleich glaubwürdiger. Aufzudecken gibt es vermutlich genug. Wie wenig Interesse das IOC an wirklicher Aufklärung jedoch hat, hat sich schon bei den Dopingberichten rund um Rio in diesem Jahr gezeigt. Für investigative Journalisten sicher nur ein Grund mehr, dem System auf den Grund und nicht auf den Leim zu gehen.
Sollte die Berichterstattung weitere kritische Aspekte zutage fördern, dürfte das Interesse an Olympia zusätzlich zu den vermutlich ohnehin geringeren Quoten weiter sinken. Etwas kühn könnte man dann sagen, ARD und ZDF würden doppelt profitieren: Investigative Berichterstattung würde dem Image gut tun und die Marktpreise für Olympia würden zugleich sinken. Das ist zweifelsohne sehr theoretisch – und ob sich ARD und ZDF in diesem Fall gut daran täten, die Rechte wieder an sich zu reißen ist ebenfalls eher fraglich. Aber dass das IOC die öffentlich-rechtlichen bald vermisst, könnte so oder so schnell der Fall sein.
Die Reihe [[Ausgesprochen]] setzt sich mit Zitaten auseinander, die so nicht unbedingt in der Öffentlichkeit beleuchtet wurden – aber eigentlich interessant sind.